Neues Grundsatzurteil: Jobcenter müssen PKV-Beiträge von Hartz-IV-Empfängern komplett zahlen

Gemäß dem Urteil des Bundessozialgerichts sind Jobcenter verpflichtet, Beiträge an die PKV von Hartz-IV-Empfängern voll zu übernehmen.

Das Bundessozialgericht hat das mit Spannung erwartete Urteil gefällt: Jobcenter sind verpflichtet die Beiträge an die PKV von Hartz-IV-Empfängern voll zu übernehmen.

Für Hartz-IV-Empfänger, die privat krankenversichert sind, müssen die Jobcenter künftig die kompletten Beiträge an die PKV übernehmen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts, die als Grundsatzurteil gilt, wurde von Institutionen und Leistungsempfängern mit Spannung erwartet. Angaben des PKV-Verbands zufolge sind von diesem Grundsatzurteil rund 6.800 Leistungsempfänger in Hartz IV betroffen, die im Basistarif der PKV eingestuft sind, der 2009 eingeführt worden war. Allerdings wollen nun auch die gesetzlichen Krankenkassen mehr Geld für Hilfebedürftige vom Staat fordern, was die Mehrausgaben für die Jobcenter nochmals steigern könnte.

Der aktuelle Fall vor dem Bundessozialgericht
Im betreffenden Fall wurde das Jobcenter Saarbrücken durch den 4. Senat des Bundessozialgerichts verurteilt, für einen Rechtsanwalt, der Leistungsbezieher in Hartz IV geworden war, Beiträge an die PKV in Höhe von 207,39 € pro Monat zu tragen. Vom Jobcenter hätte der Rechtsanwalt ansonsten lediglich 129,54 € monatlich für die Krankenversicherungsbeiträge erhalten entsprechend dem Satz, der für gesetzlich Versicherte bezahlt wird.

Durch die monatlich resultierende Differenz von fast 80 € hatten sich bei dem Hartz-IV-Empfänger Schulden angehäuft. Angaben der Anwältin des Klägers zufolge, wäre der Rechtsanwalt nicht in der Lage, diese Summe aus dem Regelsatz zu bezahlen. Jedoch sei im verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum ein ausreichender Krankenversicherungsschutz beinhaltet.

Mehrausgaben in Millionenhöhe für die Jobcenter
Das Grundsatzurteil führt zu Mehrausgaben in Millionenhöhe für die Jobcenter. Dennoch stehen das Gesundheitsministerium und das Bundessozialministerium der Entscheidung ebenso positiv gegenüber wie die Privaten Krankenversicherungen.

Die PKV muss zwar den aktuellen Beitrag von maximal 576 € um die Hälfte reduzieren, wenn es sich bei den Versicherungsnehmern um Leistungsbezieher aus Hartz IV handelt, doch bisher wurde von den Jobcenters nur etwa 130 € übernommen. Die Differenz zwischen der Hälfte des Beitrags an die PKV und der rund 130 € vom Jobcenter mussten Hartz-IV-Empfänger bisher selbst tragen, außer die PKV erklärte sich bereit, den Versicherten den Restbetrag zu erlassen.

Gesundheitsreform 2007 und Einführung von Basistarif in der PKV
Die große Koalition hatte 2007 bei der Gesundheitsreform keine Einigung getroffen, wer für den Differenzbetrag bei Privat Versicherten in Hartz IV aufkommen soll. Die Frage war demnach bewusst nicht geklärt worden, sodass das Bundessozialgericht zu dem Entschluss kam, dass hier eine Regelungslücke besteht.

Die Richter vertraten die Ansicht, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers sei, mit der Einführung des Basistarifs den Krankenversicherungsschutz von Sozialleistungsempfängern zu verschlechtern oder dass Hartz-IV-Empfänger aufgrund von Differenzzahlungen kontinuierlich steigende Schulden anzuhäufen. Mit dem Basistarif sollten bezahlbare Beiträge gesichert werden, was jedoch nicht ausreichend umgesetzt worden war.

Urteil des Bundessozialgerichts begrüßt
Der PKV Verband begrüßte das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts, da nun endlich Klarheit geschaffen wurde, die sich zu Gunsten der Hartz-IV-Empfänger auswirkt. Mit der Verpflichtung der Sozialbehörden zur Übernahme der Beitrage werde der ausreichende Krankenversicherungsschutz gesichert, der im verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum beinhaltet ist,

Sozialministerin Ursula von der Leyen CDU begrüßt das Urteil Angaben einer Sprecherin zufolge ebenfalls. Mit dem Grundsatzurteil gäbe es jetzt eine Rechtssicherheit für betroffene Hartz-IV-Empfänger. Durch das Grundsatzurteil können Hartz-IV-Empfänger weiterhin in der PKV bleiben, ohne dafür Differenzen aus eigener Tasche tragen zu müssen. Demnach ist das Sozialministerium bestrebt, auch für Versicherte in der PKV eine Lösung zu erarbeiten, die vorübergehend Arbeitslosengeld II beziehen müssen.

GKV fordert ebenfalls höhere Beiträge vom Staat
Bei der GKV stieß das Urteil des Bundessozialgerichts dagegen auf Missmut. Die gesetzlichen Krankenkassen wollen nun ebenfalls höhere Beiträge vom Staat für gesetzlich versicherte Hartz-IV-Empfänger einfordern. Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbands könne nach der Entscheidung für deutlich höhere Zahlungen der Jobcenter für Beiträge in die PKV eine Anpassung der Beiträge für die GKV nicht ausbleiben.

Das Argument der GKV für die Forderung von höheren Beiträgen vom Staat für gesetzlich versicherte Hartz-IV-Empfänger basiert darauf, dass auch die GKV deutlich höhere Kosten zu tragen hätte als von den Jobcenters für die Beiträge an die Krankenkassen erstattet werden. Nach Angaben der GKV fallen pro Mitglied monatlich 278 € an, dennoch bekämen die Krankenkassen ebenfalls nur knapp 130 € vom Jobcenter für die Sozialleistungsbezieher.

Dies würde zu weitaus höheren Kosten für die Staatskasse führen, denn die Beitragserstattung für Hartz-IV-Empfänger in der PKV erreichen höchstens 13 Millionen Euro. Sollten auch die Beiträge für die GKV auf die durchschnittlichen Kosten angehoben werden, würden die Mehrkosten für die Jobcenter auf Milliardenhöhe ansteigen.