Aktuelle Studie: Hartz-IV-Berechnungsverfahren weist Schwächen auf

Eine aktuelle Studie bezweifelt die Sicherung des Existenzminiums durch den Hartz-IV-Regelsatz. Durch die Schwachstellen des angewandten Berechnungsverfahrens liegt der Hartz-IV-Satz aktuell um 33 Euro niedriger als nötig.

Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie bezweifelt die Sicherung des Existenzminiums durch den Hartz-IV-Regelsatz. Durch die Schwachstellen des angewandten Berechnungsverfahrens liegt der Hartz-IV-Satz nach den Studienautoren Dr. Irene Becker und Dr. Reinhard Schüssler aktuell um 33 Euro niedriger als nötig wäre. Zusätzlich wurden weitere "freihändige" Streichungen im weiteren Berechnungsverfahren vorgenommen.

Berechnungsmodell wird durch willkürliche Kürzungen ausgehöhlt
Das Statistische Bundesamt zieht nicht alle herausgefundenen Ausgaben der Bezugshaushalte zur Kalkulation des Regelsatzes heran, es können bestimmte Konsumgruppen aus der Berechnung ausgenommen werden – aufgrund von “normativen Setzungen”. Daher fallen beispielsweise Tabakwaren und alkoholische Getränke, Schnittblumen oder chemischer Reinigung aus den Berechnungsgrundlagen heraus. Als Konsequenz – in Verbindung mit der veränderten Abgrenzung der Bezugsgruppe – wurde der Regelsatz bei der Neuordnung in 2011 kaum angehoben. Obwohl vom Bundesverfassungsgericht bestimmten Bedarfsfeldern (z. B. Mobilität) erhöhte Priorität eingeräumt wurde, wurden diese Erhöhungen durch Kürzungen an anderer Stelle fast neutralisiert. Nach Becker und Schüssler sollte die “freihändige” Umsetzung des Statistikmodells nach einer Formulierung aus dem Urteil des Verfassungsgerichts von 2010 – generell geändert werden.

Der Warenkorb, der mit Bedarfsprodukten des täglichen Lebens bestückt war, wurde 1990 durch das genannte Statistikmodell ersetzt, bei dem sich der Regelsatz der Grundsicherung am tatsächlichen Konsumverhalten der Bevölkerung orientiert. Die Daten werden von Haushalten mit niedrigen Einkommen, die aber ohne Grundsicherung auskommen, geliefert, so die unteren 15 Prozent – statt der wie vorher unteren 20 Prozent – der nach dem Einkommen sortierten Alleinstehenden. Familien mit Kindern sind die unteren 20 Prozent. Da somit nur eine unterdurchschnittliche Position in der Gesamtverteilung erreicht wird, fordern die Forscher einen breiteren Referenzeinkommensbereich.

Ausgrenzung durch niedrige Zahlungen
Die Verteilungsforscher Becker und Schüssler kritisieren die signifikanten Umsetzungsmängel, die dazu führten, dass das Grundsicherungsniveau lediglich gut ein Drittel des durchschnittlichen Lebensstandards erreiche und eine soziale Ausgrenzung bewirkt. Zur Überprüfung der Ergebnisse der Regelbedarfsbemessung sollte eine gesellschaftlich akzeptable minimale relative Position der Grundsicherungsbeziehenden definiert werden, beispielsweise ein bestimmter Prozentsatz des mittleren Einkommens oder Konsums.

Referenzgruppe ist von der Einkommensentwicklung abgehängt
Ein soziokulturelles Existenzminimum ist abhängig von gesellschaftlichen Standards, die mit dem Statistikmodell erfasst werden können. Die Regelsatzberechnung aufgrund einer Bezugsgruppe, mit einem geringen Einkommen, führt zur weiteren relativ gesehenen Reduzierung des Existenzminimums.